Bisher habe ich die „Wilde Karde“ nur als braunes, dürres Disteldings am Wegesrand wahrgenommen, das allerhöchstens dazu taugt, einem trübseligen Grabgesteck den letzten optischen Endzeit-Schliff zu verpassen.

Kürzlich habe ich dann aber gelernt, dass die Wilde Karde überhaupt nicht zu den Distelgewächsen zählt, sondern sozusagen eine eigene Familie bildet, die der „Kardengewächse“ nämlich.
Hört, hört.
Aber noch viel spannender als die botanischen Verwandschaftsverhältnisse ist das, was die Karde so alles draufhat. Ganz besonderes Augenmerk sollte man dabei auf die Wurzel legen.
Die unscheinbare Karde wirkt u.a. durch die enthaltenen Bitter- und Gerbstoffe antibakteriell, blutreinigend und entgiftend. In der Naturheilkunde kann die Wurzel zur Stärkung des Immunsystems, bei Magen- und Gallenschwäche, Arthritis, Gicht, Rheuma, Hautkrankheiten und Kopfschmerzen angewendet werden.
Das ist doch schon mal ganz passabel für so ein stacheliges Gestrüpp, oder?
Kardenwurzelpaste gegen Schrunden und Warzen
Bereits Dioskurides (ein griech. Arzt aus dem 1. Jahrhundert) hat wohl empfohlen, die Wurzeln der Wilden Karde in Wein sieden zu lassen und dann zu einer dicken, wachsähnlichen Paste zu zerstoßen. Diese Paste sollte dann wohl gut gegen Schrunden und Fisteln sein und sogar Warzen vertreiben. Könnte man durchaus ausprobieren, wenn man unter derartigen Malaisen leidet. Ich selbst bin von Fisteln und Warzen bisher verschont – und finde ein anderes Anwendungsgebiet der Kardenwurzel deutlich spannender.
„Wer hat Angst vor’m schwarzen Borreliose-Mann?“
„Borreliose“ ist ja ein wohlbekanntes Schreckgespenst für alle, die gerne und oft draußen in Wald und Forst unterwegs sind und vermutlich hat schon jeder Gruselgeschichten über diese Krankheit gehört.
Nun munkelt man (und ganz besonders der Ethnobotaniker Dr. Storl), dass eine Tinktur aus der Kardenwurzel bei einer Borreliose zumindest unterstützend eingesetzt werden und die fiesen Erreger im Zaum halten kann.
Auch wenn die Wissenschaft das bisher wohl nicht hieb- und stichfest bestätigen möchte: Eine Arbeitsgruppe an der Universität Leipzig hat im Laborversuch schon festgestellt, dass in einem Wurzelextrakt eine Substanz enthalten ist, die das Wachstum von Borrelienkulturen hemmt. Da wird bestimmt noch einiges kommen.
Karden-Tinktur zum Selbstbrauen – Alkohol ahoi!
So eine Tinktur ganz man ganz leicht selbst herstellen, indem man eine Kardenwurzel ausbuddelt, reinigt, in Stücke schneidet und mit 80% Alkohol übergießt…ebenso, dass alles gut bedeckt ist. Dieses Glas parkt man nun 4 Wochen an einem dunklen, kühlen Ort, schüttelt gelegentlich durch, gibt die Brühe am Ende durch ein Sieb und feddisch ist die Tinktur.
Wie genau, in welcher Dosierung und ob überhaupt man dieses Gebräu bei einer Borreliose einsetzt, sollte man logischerweise am besten mit seinem behandelnden Medizinmann absprechen.
Aussehen ist (nicht) alles….
In der sog. Signaturenlehre gibt ja angeblich das Aussehen aller Heilpflanzen Rückschlüsse auf ihren Einsatzzweck, und bei der blühenden wilden Karde soll der „Blütenkranz“ an die sog. Wanderröte erinnern, die bei dem Biss einer infizierten Zecke auf der Haut des Erkrankten auftritt. Das fände ich nun als Beweis schon ein wenig dürftig – unterhaltsamen Wert hat diese Theorie aber allemal.
Auf jeden Fall werde ich das Stachelgewächs künftig mit deutlich erfurchtsvolleren Augen betrachten.
Signaturenlehre hin oder her.
Nämlich.
Bei uns im Neuwieder Umland habe ich die Wilde Karde bisher hauptsächlich am Rheinufer (Nähe SWN-Gebäude) entdeckt, werde aber weiterhin die Augen aufhalten- jetzt wo ich die Stachel-Amazone mit Namen kenne.
Sie bevorzugt wohl tatsächlich halbschattige Standorte an Ufern und Wegesrändern. Und davon haben wir hier ja so einige.
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